Die Eisenbahnverbände NEE und mofair sind mit dem aktuellen Umsetzungsstand der vor drei Jahren vorgestellten Verabredungen des „Runden Tisches Baustellenmanagement“ nicht zufrieden. Sie drängen darauf, dass vor allem die DB Netz als Infrastrukturverantwortliche ihre Zusagen einhält.

Um eine weitere Alterung des deutschen Schienennetzes zu verhindern, wird es noch einige Jahre eine hohe Zahl von Baustellen im deutschen Schienennetz geben müssen.

Der Wettbewerbsbeauftragte des Netzwerks Europäischer Eisenbahnen (NEE) e.V., Wolfgang Groß, sagte dazu: „Wegen mancher Baustellen müssen Güterbahnen planmäßig hunderte Kilometer Umweg fahren oder Transporte kurzfristig absagen. Wenn weder Bund noch die DB Netz die entstehenden Umsatzausfälle und Mehrkosten übernehmen, erwarten wir, dass DB Netz wenigstens das Menschenmögliche zur Minimierung der Auswirkungen tut.“

mofair-Geschäftsführer Matthias Stoffregen: „Dass gerade die seit Jahren zugesagte IT-Kommunikationsplattform bei DB Netz ein Opfer der Corona-Sparmaßnahmen geworden ist, ist Fahrgästen und Verladern kaum zu erklären.“ Mit Blick auf die Verkehrsverträge im SPNV fährt er fort: „Und noch immer tragen die Eisenbahnverkehrsunternehmen zu viele Risiken aus Baustellen, die sie nicht kalkulieren können. Anders als vor drei Jahren vereinbart, federn die Aufgabenträger kaum etwas ab. Das muss sich ändern.“

Kapazitätsschonendes Bauen war das Schlüsselwort, das vor exakt drei Jahren im Mittelpunkt der Vorstellung der Ergebnisse des „Runden Tisches Baustellenmanagement“ im Beisein von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer stand. Der RTBM war als Brancheninitiative im Herbst 2016 eingerichtet worden, um ungewollten Nebenwirkungen der steigenden Zahl von Baustellen im deutschen Schienennetz entgegenzuwirken.

Im Abschlussbericht waren 17 Einzelmaßnahmen in den folgenden vier Bausteinen festgehalten worden:

  • 1. zusätzliche Bundesmittel für kundenorientierte Gestaltung der Baumaßnahmen
  • 2. Anreizsystem zur Verbesserung von Qualität und Prozesstreue
  • 3. angemessene Risikoverteilung zwischen Aufgabenträgern und Bahnen im Nahverkehr
  • 4. Verbesserung der Bauplanung und -kommunikation

Während das Anreizsystem (Baustein 2) immerhin gestartet ist und der Bund im Rahmen der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung III (LuFV III) mittlerweile jährlich 100 Mio. Euro für Mehrkosten der kundenfreundlicheren Ausführung von Baumaßnahmen bereitstellt (Baustein 1), gibt es ausgerechnet bei den beiden wichtigsten Punkten noch immer keinen Durchbruch.

Wolfgang Groß: „Bei der Planung und Vorabstimmung von Baumaßnahmen sehen unsere Unternehmen keinen Fortschritt gegenüber der Zeit vor dem Runden Tisch. Immer wieder wird auf einer Strecke und ihrer Umleitungsstrecke gleichzeitig gebaut. Die Bahnunternehmen werden oft zu spät in die Planungen eingebunden, und ihre Bedenken und Alternativvorschläge werden oft nicht ernst genommen.“

Schon 2017 hatte die DB Netz am Runden Tisch die Einführung einer neuen IT-Lösung für die komplexe Planung und Abstimmung der Baustellen angekündigt – und um Verständnis gebeten, dass diese nicht im gleichen Jahr einsetzbar wäre. Doch auch 2021 gibt es sie noch nicht, und es gibt auch keinen verbindlichen Einführungstermin.

Während im Güterverkehr das Anreizsystem – anders als gesetzlich gefordert – ohne das Einvernehmen mit den Güterbahnen ausgestaltet wurde und die Branche deswegen vor Gericht zog, ist im Schienenpersonennahverkehr die Lastenverteilung der Baustellenschäden nicht weiter vorangekommen. Dazu Matthias Stoffregen: „Wir erwarten, dass sich die Aufgabenträger an ihre Zusagen zur Überprüfung der Verträge mit unseren Unternehmen erinnern. In Neuausschreibungen sollten die baustellenbedingten Remanenzkosten von den Aufgabenträgern übernommen, Schienenersatzverkehre vergütet und die Vertragsstrafen bei baustellenbedingten Verspätungen begrenzt werden. Bisher ist das, wenn überhaupt, nur in Ansätzen geschehen.“

Groß erinnerte abschließend daran, dass auch wichtige Details der beiden teilumgesetzten Bausteine noch offen sind. Im Anreizsystem des Personenverkehrs bezweifeln die Bahnen eine echte Anreizwirkung durch die bisher von der DB Netz zu zahlenden Qualitätsmangel-Pönalen, etwa wenn Weichen und Signale viel zu häufig gestört sind. Bei der Auswahl und der Priorisierung der vom Bund zusätzlich finanzierten „kundenfreundlichen“ (d. h. kapazitätsschonenden) Baumaßnahmen werden weder Güter- noch Personenbahnen bisher systematisch einbezogen, obwohl dies in der LuFV III vertraglich fixiert ist.

Quelle/Grafik: NEE/mofair